Bruno Unkhoff - der Bruno aus dem Monopol

Der junge Bruno Unkhoff

Würde man Bruno Unkhoff – den aus dem Monopol – in irgend eine Verbindung zum Kreuz über dem Altar der Zwölf-Apostel-Kirche bringen? Wohl kaum! Und doch gibt es eine ganz enge: Der dicke Zecher mit der Filterlosen zwischen den Lippen ist schließlich der Schöpfer des Heilands, jener seltsam glatten und stilisierte Figur, die scheinbar entrückt über dem Altar in Wanne-Süd schwebt.

Denn der Bruno – der aus dem Monopol – hatte ein ziemlich großes und wohl auch ziemlich frommes Herz. Wie sonst erklären sich die vielen religiösen Motive in seinen Werken, die nicht nur in öffentlichen Gebäuden wie Schulen oder Rathäusern, sondern vor allem in Kirchen, Kapellen und auf Friedhöfen zu finden sind?
Wenn Ihnen nicht der Sinn nach einem Kirchenbesuch steht, können Sie einen echten Unkhoff aber auch in der Volkshochschule bewundern. Im Innenhof der Hauses am Grünen Ring.

Bruno Unkhoff, der am 11. Dezember 2002 starb, hatte eigentlich drei Leben. Da kam zunächst mal der junge, ungestüme, talentierte Bildhauer aus Gelsenkirchen nach Wanne-Eickel. Der scheinbar grobschlächtige Mann verblüffte und entzückte die Wanne-Eickeler Kunstwelt (die gab’s tatsächlich, allerdings nicht so zahlreich) mit sensiblen Händen, die Steine und Metall sanft formen und dem Material eine warme Lebendigkeit verleihen konnten. Klar, dass Unkhoff bald auf keiner Party mehr fehlen durfte. Wobei Bruno, der Bonvivant, sich als ebenso talentiert erwies wie Bruno der Bildhauer, der bald neben seiner Leibesfülle auch Schnauzbart und Brille zu seinen optischen Markenzeichen entwickelte. Manch einer, der glaubte, mit Bruno Unkhoff mithalten zu können, scheiterte kläglich. Das Urviech verließ so manche Party und manche Kneipennacht als Sieger aller Gewichtsklassen.

Bruno und die Medien

Bruno, der Genussmensch schuf Menschen aus Stein, Keramik, Holz, Bronze oder Metall, die von einer tiefen Sehnsucht nach Frieden und Harmonie geprägt sind. Deren Lebendigkeit sich beim Betrachter ganz leise entwickelt, während der Meister nach getaner Arbeit am Tresen dröhnte. Oder zu Hause, denn man gab sich auch bei den Unkhoffs in der Wilhelmstraße gerne ein Stelldichein. Schließlich verstand es Bruno, zu feiern – und das auch gerne unter Beweis zu stellen. Gelegentlich gab’s bei Bruno auch mal Feten-Zwang. Weihnachten zum Beispiel. Wenn seine mittlerweile fünfköpfige Kinderschar von feierlicher Stimmung träumte, pflegte Bruno großzügig und nicht selten auch prominent einzuladen. Statt Rauschgoldengel und Glockenklang kamen Ivan Rebroff, Johnny Hill oder Lotti Krekel – und es klirrten die Trinkgefäße. Bruno hatte schließlich zu Weihnachten auch Geburtstag.

Das erste Leben von Bruno endete abrupt: Zwei Trunkenheitsfahrten reichten in den Sechziger Jahren, um ohne Wenn und Aber in den Knast zu kommen. Unkhoff erlebte es im Jahr 1966. „Musste ja so kommen“, werden manche gedacht haben. Was die drei Monate Knast ausmachen konnten, werden sie nicht geahnt haben. Bruno verließ die JVA als anderer Mensch, mit Zweifeln, Ängsten und finanziellen Sorgen. Letztere waren nicht zu knapp. Sieben Köpfe wollten ernährt werden, die Unbekümmertheit und Leichtigkeit war futsch – und ernsthafte Probleme taten sich vor den Unkhoffs auf.

Jetzt nahm Annemarie Unkhoff das Ruder in die Hand und pachtete eine Trinkhalle in Gelsenkirchen-Bismarck. Insider wussten bald, wo sie Bruno finden konnten, und die Seltersbude wurde zum Geheimtipp. Also Gastronomie: Das zweite Leben von Bruno Unkhoff begann. Und zwar so richtig, als die Unkhoffs 1970 das Monopol pachteten und damit wahre Pilgerzüge zum Wanner Markt begründeten. Wer Künstler war oder es sein wollte, musste ins Monopol. Wer die sehen und dabei sein wollte, auch. Junge Leute musste ins Monopol, weil sie dort andere junge Menschen trafen. Und viele ältere Menschen mussten ins Monopol, um sich dort jung zu fühlen.

Unkhoff mit Besuchern vor seinem Atelier auf dem alten Pins-Hof in Röhlinghausen

Mittendrin Bruno, der den fliegenden Rollenwechsel beherrschte: Mal jovialer Gastgeber, mal sein bester Gast. Aber auch mal strenger bis störrischer Hausherr. Und immer wieder sorgte er mit ungewöhnlichen Aktionen für Aufmerksamkeit. Ob er nun einen Esel vorm dem Monopol anleinte. Oder reichlich Münzgeld an reichlich viele Leute verschenkte mit der Aufforderung, sich dafür ein paar Drinks zu gönnen. Aber das bitteschön im Monopol!

War irgend ein bekannter Mensch in der Stadt, gab es fleißige Helferlein, die den durstigen Gast zielstrebig zum Wanner Markt lotsten. Und so mancher Promi hat sich nicht nur im Gästebuch verewigt. Im Mono wurde musiziert, ausgestellt, rezitiert und diskutiert. Und Bruno trank mit Franz-Josef Degenhardt, fachsimpelte mit Joseph Beuys oder diskutierte mit dem TV-Journalisten Gerd Ruge das politische Weltgeschehen.

1978 war dann Schluss mit Monopol und lustig. Annemarie wurde krank, konnte den Laden nicht mehr auf Kurs halten – und weil Bruno vom Wirtschaften nicht so viel verstand wie von Wirtschaften, begann die Kneipe, ihn arm zu machen. Auch seine gelegentlichen Tresengeschäfte waren nicht wirklich lukrativ, wenngleich aber stets ziemlich spektakulär. So etwa der Deal mit „Jägermeister“, ein Rennpferd, das er irgendwann kaufte, um es seiner Frau zu schenken. Annemarie Unkhoff konnte sich dafür aber ebenso wenig begeistern wie für die Dampfwalze, mit der Bruno eines Nachts durch Wanne-Eickel nach Hause rumpelte.

Also: Beginn des dritten Lebens. Unkhoffs Wirkungskreis war jetzt wieder das Atelier, das er über all die Jahre immer in der Scheune von Pins auf der Wilbe hatte. Einige wenige Auftragsarbeiten, ungeliebte meist, und dann fast so etwas wie Resignation. Was hätte man alles machen können, wenn man zielstrebiger zur Sache gegangen wäre…? Aber wahrscheinlich wäre man dann auch nicht auf die Idee gekommen, mit behinderten Kindern zu arbeiten. Bruno Unkhoff tat es, gab außerdem sein Wissen auch an der Jugendkunstschule und an Volkshochschulen weiter.

Die Uni Dortmund wurde auf ihn aufmerksam – und mit 61 durfte sich Bruno Unkhoff dann vor die Studenten stellen. Weil er gerade gut in Schwung war, erfüllte er sich dann 1995 auch noch einen alten Traum: Er gestaltete eine Kapelle. Die steht allerdings nicht in Wanne-Eickel, sondern auf der Hertener Straße in Recklinghausen. Einkehr, Besinnung, Ruhe und Kraft: Das dritte Leben von Bruno Unkhoff war nicht mehr ganz so laut, wie die beiden davor. Leise war auch sein Abschied aus Wanne-Eickel. Bruno und Annemarie Unkhoff zogen zu Sohn Lucas nach Holzminden. Ein Jahr später starb Bruno, nur wenige Tage vor seinem 71. Geburtstag.

Bruno Unkhoff im Herbst 2002

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